Montag, 26. Februar 2018

[Rezension] Ein mögliches Leben - Hannes Köhler



23.02.2018¦ Ullstein¦ 352 Seiten ¦ HC ¦ Deutsch ¦ 22,00€  ¦Roman
¦ Kriegsgefangenschaft

 

 Martin kennt seinen Großvater Franz hauptsächlich durch Erzählungen seiner Mutter. Durch schwierige Familienverhältnisse hat Martin kaum Kontakt zu seinem Großvater, bis dieser ihn bittet mit ihm nach Amerika zu reisen.
Er möchte noch solange sein Alter und seine Gebrechlichkeit es zulassen die Orte besuchen, wo er als achtzehnjähriger in amerikanischer Kriegsgefangenschaft war. Nach langer Zeit kommen die Erinnerungen an eine längst vergessene Zeit wieder und endlich kann Franz seine Erlebnisse seinem Enkel Martin, der mittlerweile selbst Vater ist, erzählen.
Als junger Mann, gerade mal 19 Jahre alt, kämpft Franz für sein Heimatland, doch 1944 fällt er den Amerikanern in die Hände und wird kurzerhand nach Amerika verschifft und kommt dort in Texas in ein Gefangenenlager.
Im Camp Hearne erlebt er eine Freiheit, die er aus Deutschland so nicht kennt. Die Wärter lassen den Gefangenen viel Freiheit – und es kommt zu Spannungen zwischen links und rechts. Paul, ein Deutsch-Amerikaner ist mitten drinnen und es kommt zum unausweichlichen. Als Hitler stirbt und der Krieg vorbei ist muss Franz sich entscheiden…
Hannes Köhler bietet eine außergewöhnliche Geschichte eines POW’s (prisoner of war). Wer einen 0815-Zweite-Weltkrieg-Roman erwartet hat, was auch kurze Zeit meine Befürchtung war, wird positiv überrascht. Über Kriegsgefangene in Amerika gibt es bisher sowenig Literatur, dass dieser Roman förmlich dazu aufruft ihn zu lesen.
Wir begleiteten jedoch nicht nur einen Mann, der seiner Zeit in amerikanischer Gefangenschaft ist, sondern auch eine Familie, die durch diese Zeit noch knapp 70 Jahre später davon beeinflusst ist.
Bisher wusste ich so gut wie gar nichts über die Lager in Amerika, außer dass sie sehr human sein sollen, was sich in dem Bild, was hier von den Lagern geboten wird, bestätigt hat. Die Entwicklung der Gesinnung der Gefangenen fand ich sehr authentisch – besonders die Dialoge haben mich sehr angesprochen und ich konnte die Männer bildlich vor mir sehen. Die ambivalenten Meinungen zum nationalsozialistischen Deutschland wurden sehr deutlich gemacht und auch dem Leser kommt immer wieder die Frage nach Schuld auf, was ist richtig und was falsch? Wer ist Feind und wer Freund?
Wie sieht ein mögliches Leben aus?

Selbstmord“, sagt Franz. Jürgens Gesicht ist ausdruckslos. „Heldentod“, sagt er leise.


Frei von jeglichen Klischees beschreibt der Autor den Zerrissen zwischen alter, neuer und möglicher Heimat, zwischen Vergangenheit und Gegenwart. Authentisch, realistisch und teilweise sehr schonungslos. Wir erleben wie sich das Geschehene auf eine ganze Familie auswirkt und damit auf verschiedene Generationen.
Ein Roman, der außergewöhnlicher nicht sein kann – und doch so realistisch.



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